Posts Tagged ‘soest’
«Against the grain» – LIDOMA VI – ‹Maisfeld Edition›
«Against the grain
That’s where I’ll stay
Swimming upstream
I maintain against the grain»
(Bad Religion – ‹Against the grain› – 1990)
«Worauf hast Du Dich da schon wieder eingelassen?»
Diese Frage stelle ich mir mit der Erfahrung von inzwischen über zwanzig Marathon- und Ultraläufen ab und an mal in der zweiten Hälfte eines Laufes … aber bislang noch nicht zu Beginn, wenige Meter nach dem Start.
Am Samstag, den 20. September war das etwas anders, beim LIDOMA VI ‹Maisfeld Edition›.
Frank und Marion vom namengebenden ‹Laufen in Dortmund› hatten zur 6. Auflage ihrer Marathons nach Soest geladen, wo auf dem Gelände des ‹Gemüsehof Eickhoff› eine anspruchsvolle Strecke auf knapp 80 Starterinnen und Starter warten sollte.
11 akribisch vermessene Runde a 3863 Meter waren zu bewältigen, um nach 42,493 Kilometern mit knapp 300 Metern mehr als der klassischen Marathondistanz zu finishen. Eigentlich ein ‹Walk in the park›, eine Woche nach den 74 Kilometern mit 2000 Höhenmetern beim P-Weg Ultra in Plettenberg. Aber die Stecke in Soest zeigte gleich auf den ersten Metern, dass sie es den Läufern nicht all zu leicht machen wollte. Nach der zweiten Kurve verschluckt einen das Maisfeldlabyrinth des Eickhoff-Hofes und gab einen für die Hälfte der Runde nicht mehr her.
In unzähligen Windungen(*) kurvte die Strecke durch die drei Meter hohen, kurz vor der Vollreife stehenden Maisstengel und ließ den Läufern dabei kaum mehr als Schulterbreit Platz. Mit Trassierband abgesperrte Gabelungen sorgten dabei dafür, dass das Labyrinth für diesen Abend kein solches mehr war, sondern ein verschwurbelter Bandwurm von einer Laufstrecke. Orientieren wäre auch schlichtweg unmöglich gewesen, fiel doch die Sonne als einziger möglicher Fixpunkt bereits kurz nach dem Start durch die tief hängenden Wolken aus.
(* = Nicht, das ich später nicht drei Mal gezählt hätte. 59 Rechtskurven, 61. Linkskurven. Pro Runde, ohne Gewähr …)
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die real nur knapp zehn Minuten betragen haben, spuckte uns das Maisfeld auf der anderen Seite aus und entließ die Teilnehmer auf eine Feldwegrunde, auf der sich die Augen bei etwas Fernblick erholen konnten, bevor es durch einen engen Tunnel im Mais zurück ging und die nächste Runde in Angriff zu nehmen war. Dies jedoch nicht, ohne vorher kurz bei der an Start/Ziel befindlichen Verpflegungsstelle halt zu machen, wo umwelttechnisch vorbildlich Mehrwegbecher für die Flüssigkeitsversorgung bereitstanden und auch sonst alles vorhanden war, was der Läufer so auf seinen Runden verbrennt. Dann ging es weiter, vorbei an ein paar amüsierten Gästen des Hofes – die sich bei Bier & Bratwurst fragten, was für eine Horde Verrückter da durchs Gemüse rannte – und der Mais hatte einen wieder.
Nach der ersten Runde hatte sich das Feld so weit auseinander gezogen, dass ich nun für mich alleine lief. Irritierend war dabei, das der feuchte Ackerschlick in der Laufspur sich immer mit einem satten Schmatzen vom Fuß löste, so dass ich mich öfter umblickte bevor mir bewusst wurde, das da kein Läufer aufschließt, sondern nur das Echo meiner eigenen Schritte erklingt. Im Labyrinth hörte man mitunter leiste Stimmen aus allen Richtungen, ohne zu wissen ob diese vor oder hinter einem lagen. Beim Überholen oder beim Ausweichen von entgegenkommenden Läufer im langen Maistunnel schlug ich mich seitlich an die Pflanzen, wobei mit dem Unterarm das gröbste abgewehrt wurde, während darauf zu achten war, mit den Füßen nicht über die Strünke zu stolpern. Platz war nicht viel, und vermutlich standen nur versicherungstechnischen Bedenken dem Einzug von Macheten auf die Liste der Pflichtausrüstungsgegenstände für diesen Marathon im Weg.
Mit einigen Runden stellte ich fest, dass ich für einen Umlauf etwa 21 Minuten benötigte, was knapp für eine Zielzeit unter 4 Stunden reichen könnte – wenn man unberücksichtigt ließe, das der Boden nach den heftigen Gewittern der Vortage tief war und die Spur im Feld Runde für Runde tiefer wurde. Zudem war klar, das auf den letzten zwei oder drei Runden ohne Stirnlampe nichts mehr gehen würde, einige Fußballgroße Löcher im Boden verlangten doch, das man einigermaßen darauf achtete, wo man hintrat.
Mit den Runden gelangte ich in den Flow, das herumkurven durch die Reihen des Maises wurde zum Automatismus, so dass ich beinahe gar nicht bemerkte, wie die Kilometer vorbeizogen. Mehr als einmal stellte ich mir vor, dies wäre kein Maisacker in der Soester Börde, sondern ein Stück des Ho-Chi-Minh-Pfades in Südostasien. Ok, zu viele schlechte Filme … und der Vietnam-Trip aus dem Frühjahr bot auch genügend Vergleichsmöglichkeiten an.
Für die letzten beiden Runden musste dann die Stirnlampe ran, war es doch nach 20 Uhr stockdunkel. Die Füße liefen fast automatisch in der Spur, welche 80 Teilnehmer Durchgang für Durchgang gezogen hatten – kurz vor der Einmündung ins Feld auch quer über den Vorgarten der Hofbewohner. Also (sehr) frei nach dem Alt-BVBler Rolf Rüssmann in etwa:
«Wenn die uns hier schon einen Marathon laufen lassen, dann treten wir ihnen wenigstens den Rasen kaputt!»
Für ein Finish unter vier Stunden reichte es dann nicht mehr ganz, selbstgestoppte 4:04:55 bedeuteten nach der 11. Runde jedoch den 5. Platz im Klassement, womit ich angesichts der herausfordernden Bedingungen mehr als zufrieden bin.
Insgesamt eine sehr tolle Veranstaltung mit angenehmen Leuten, von denen die meisten noch vor Ort blieben, bis die letzten Läufer nach knapp 6 Stunden und pünktlich vor beinahe sintflutartigen Regenfällen das Ziel erreichten. Hat Spaß gemacht, vielen Dank an Frank und Marion sowie alle Helfer vor Ort!